Leben ist nur mein Theater(spiel)

Gepostet von am Jun 3, 2014 in GeDANKEnwelt

Da sitze ich nun im Zuschauerraum meines eigenen Theaters. Auf der Bühne geben sich Szenen die Klinke in die Hand. Es tauchen Menschen, Situationen aus der Vergangenheit auf. Mancher spult seine Rolle zum x-ten Mal ab. Es gibt bildgewordene Zukunftsvisionen und Aktuelles aus der Gegenwart.
Doch anders sieht es von hier unten aus. Als Kämpferin im eigenen Krieg wusste ich um ihre Anwesenheit, ging davon aus, dass wir irgendwie oder irgendeine gemeinsame Sache machen. Keinen Einfluss hatte ich gefühlt auf das, was da auf dem Kriegsschauplatz geschah. Als Ringerin waren die Dinge etwas klarer, doch immer noch eine Form von Kampf. Auge in Auge, wenn auch immer wachend, wer wen wo zuerst trifft und besiegt. Doch erkannte ich schon besser, wer mir da vielleicht warum gegenübersteht. Ängste, Glaubenssätze, Überzeugungen, die mir nicht dienten, sondern mich blockierten, mich mit mir selbst kämpfen, ringen ließen. Auch heute gibt es diese Ring-Situation noch. Doch immer öfter gelingt es mir, meinen Sportsfreund dazu zu bringen, sich mit mir im entspannten Lotussitz auf die Matte zu setzen, zu atmen und uns im gegenseitigen und gemeinsamen Wahrnehmen zu üben. Aus einem Ring-Kampf wird dann ein ruhiges Beieinander, ein Kennenlernen. Ein genaueres Betrachten wird möglich.
Wenn jedoch so viel los ist wie in den letzten Wochen, ist es mir nicht mehr machbar, mit den Themen, den Begegnungen und dem, was sie auslösen, auf diese Art umzugehen. Leben wartet nicht, bis wir fertig sind, alles, was wir wahrnehmen, zu verarbeiten. Leben lebt. Und Leben lässt sich nicht kontrollieren. Während ich mit einem Ringer in Ruhe atme, viel über mich begreife, geschehen doch schon wieder zig andere Dinge, begegnen mir andere Menschen, tue ich etwas und sei es nur das Putzen eines fremden Fussbodens für ein paar Euronen. All das ist Leben, all das ist ich, weil ich tue. All das erfordert meine volle Aufmerksamkeit, ein bewusstes im Jetzt sein. Wie oder wann kann ich da ständig ruhig sitzen und atmen?
Irgendwann kommt genau der Moment, da ist scheinbar alles zuviel. Dann ist es Zeit ist für mein Schneckenhaus, dem dann oftmals das Vakuum folgt. Manchmal ist es für mich immer noch schwer erkennbar, dass sich dieser dichte Nebel um mich legt, etwas oder jemand mich liebevoll in Watte packt. Ich stehe morgens auf und es ist alles anders. Die Vögel zwitschern nicht mehr so laut, das Bunt ist nicht mehr so farbenfroh. Das Telefon steht still, das Postfach bleibt leer. Irgendetwas gibt es immer zu tun, doch es geschieht wie auf Autopilot. Diese Phasen machen mich fast verrückt. Dann ist es wieder Zeit für meine Ur-Ängste, die sich groß und lärmend zeigen können. Es geht gefühlt ums nackte Überleben. „Atmen! Kristina, atme! Komm zurück in deine Mitte! Ja wie, was, wo? Ich seh nix! Ich weiß, dass sie da ist, doch wo soll die sein, wie komm ich da hin?“ Und gleichzeitig dieses Gefühl, es geschieht nichts mehr. Ein Gefühl von untätiger Taubheit, während ich Leben irgendwie lebe, Fussböden putze, Menschen begegne, voller innerer Einsamkeit, selbstgewählt und gleichermassen aufgezwungen. Dieses Vakuum ist meine innere Hölle, gleich da, wo mein ureigenes Paradies ist. Ja, es ist alles in uns, immer und zu jeder Zeit.
Dass ich all das so benennen kann, gelingt mir, weil ich immer öfter im Zuschauerraum meines eigenen Lebenstheaters sitze. Ich bin keineswegs unbeteiligt, doch weniger mittendrin. Hier kann ich besser atmen, die Dinge betrachten, beobachten. Ich habe einen besseren Überblick über das Geschehen, sehe viele Szenen gleichzeitig, erkenne Zusammenhänge. Auch emotionaler bin ich etwas freier als der, der auf der Bühne seine Rolle spielt. Und ich bin mehr als nur Zuschauer. Ich bin gleichermaßen Regisseur, Drehbuchautor, Prinzipal. Ich schreibe die Handlung, kann ändern, Vorschläge zur Umsetzung machen und bei grobem Unfug sogar darum bitten, den Saal zu verlassen.
„Wir sind die Schöpfer unseres Lebens.“ Hier, in meinem Theater wird mir das immer wieder bewusst.

Kreta 2007

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