Einsamkeit ist nicht gleich Alleinsein

Gepostet von am Okt 13, 2015 in GeDANKEnwelt

In meinem Text „Ist Selbstliebe der Fahrschein in die Einsamkeit oder der Schlüssel zum wahren Glück?“ beschreibe ich, dass ich auf dem Weg zu mir selbst durch die Einsamkeit gegangen bin. Eine Leserin stellte mir dazu die Frage:

 

„Wie kommt man nach dem Einzelgang aus der Einsamkeit?“

 

Eine Frage, die sich sicher viele stellen. Einmal eine Weile im Rückzug gelebt, mit alten Gewohnheiten und Beziehungen gebrochen, kommt der Moment, da es wieder an der Zeit ist, ins Außen zu gehen, sich ein neues Leben(sumfeld) aufzubauen. Doch wie? Meiner Erfahrung nach, kurz und knapp: Schritt für Schritt, mit viel Achtsamkeit, Geduld und Mut. Haben wir uns einmal entschieden, ein authentisches Leben zu führen, unseren eigenen Weg zu gehen, beginnt ein neues, großes Abenteuer.

Was auch immer der Auslöser war, sich mit sich selbst zu beschäftigen und welchen Weg wir auch immer dafür wählen, es braucht einiges an Zeit und sehr viel Stille, um den eigenen Herzschlag, die eigene Seelenstimme wieder wahrzunehmen und ihnen zu folgen. Stellen wir uns wahrhaft dem Selbsterkenntnisprozess, gilt es sich für einen unbestimmten Zeitraum an erste Stelle zu setzen. Das heißt nicht zwangsläufig, in den Wald oder auf eine einsame Insel zu ziehen und alle Verantwortlichkeiten ab sofort und für immer an den Nagel zu hängen. Jedoch braucht es viele Ruhepausen, in denen wir uns komplett dem Einfluss von Außen entziehen. Nur so können wir uns daran erinnern, wer wir eigentlich wirklich sind, welche Rollen wir spielen, welche Verantwortungen und Verpflichtungen wir übernommen haben und welche davon wirklich unsere sind oder dem Leben entsprechen, das wir in Wahrheit führen wollen.

 

Einsamkeit ist nicht gleich Alleinsein

 

Was wir schon immer und in der heutigen Zeit ganz besonders wieder brauchen ist Zeit mit uns allein. Ich weiß, dass viele Menschen Angst vor dem Alleinsein haben. Nicht zuletzt, weil sie Alleinsein mit Einsamkeit verwechseln. Da viele von uns noch Angst gesteuert (re)agieren, laufen sie vorm Alleinsein davon, rennen von einem Termin zum nächsten, stürmen von einem Projekt ins andere. Sie umgeben sich permanent mit anderen Menschen oder Dingen und merken erst sehr spät, dass sie genau dadurch vereinsamen. Durch die oder trotz all der Geschäftigkeit verlieren sie etwas ganz wichtiges: sich selbst. Und wer von uns kennt das nicht?

Stellen wir uns der Einsamkeit, finden wir ins Alleinsein und dort finden wir: uns. Sind wir wieder mehr in unserer Mitte und in Achtsamkeit geübt, fällt es uns im Umgang mit dem Außen viel leichter bei uns zu bleiben. Die meisten Menschen, die ich begleite (mich eingeschlossen) haben zu diesem Zeitpunkt erkannt, dass bestimmte Menschen oder Arbeits-/ Freizeitsumfelder ihnen einfach nicht mehr gut tun und sie meiden diese und bauen sich neue auf. Zum Beispiel werdet Ihr mich wohl kaum auf einer Veranstaltung finden, bei der Tausende von Menschen irgendwelche Partyheuler mitgröhlen, dafür jedoch auf Wanderungen oder Yoga machend mit Menschen, die genau diese Dinge gern tun.

Die Zeit des Rückzuges lässt uns im besten Falle erkennen, wie großartig und wichtig es ist, mit sich allein sein zu können und zu wollen. Alleinsein ist Selbstfürsorge, inneres Gespräch mit der eigenen Quelle. Es ist Zeit, die wir damit verbringen sollten, unserem Körper, unserer Seele und unserem Geist Aufmerksamkeit zu schenken, ihnen zu geben, was immer sie brauchen, um weiterhin kraftvoll und freudig ihre Dienste zu tun. Im Alleinsein finden wir heraus, wer wir wirklich sind, was wir wollen, was uns gut tut und was nicht.

 

Alleinsein ist wichtig, doch nur dafür ist der Mensch nicht gemacht

 

Im Kern unserer Natur sind wir Liebe und Liebe ist nur dann echt, wenn sie fließen kann, zu allen und überall hin. Über den Rückzug, das Abtauchen in die Einsamkeit und das Erkennen des Alleinseins erinnern wir uns an unsere Liebesnatur. Aus dieser heraus sollten wir dann Schritt für Schritt beginnen, uns zu leben, uns und eben auch andere zu lieben. Das kann bedeuten, Menschen zu verabschieden, Verantwortlichkeiten, abzugeben, Jobs oder Freizeitaktivitäten zu beenden. Es heißt auch, uns für neue Möglichkeiten zu öffnen. Mit der Reife unserer Erfahrungen und doch Kindern gleich sollten wir mal das eine, mal das andere auszuprobieren. Eine Schnupperstunde im Yoga-Kurs hier, eine Gesangsstunde da. Ich bin mir ganz sicher, dass schon vor dem Rückzug bei vielen von Euch Dinge auf einer Liste stehen, die Ihr schon immer mal machen wolltet. Tut sie.

Traut Euch. Am besten so einfach wie möglich. Nicht erst teure Ausrüstungen kaufen oder auf nächstes Jahr verschieben. Tut diese Dinge, begegnet anderen Menschen. Probiert Euch aus und lasst es auch wieder sein, wenn es Euch doch keinen Spaß macht. Ihr seht Menschen im Park, die Frisbee spielen, Kinder auf einer Schaukel oder Tänzer in einer Einkaufszone? Fragt, ob Ihr mitmachen dürft, ob Ihr auch mal etwas ausprobieren könnt, sie Euch ein paar Schritte beibringen. Und dann: Tut es und nehmt wahr, wie es Euch gefällt, ob es Euch Freude macht. Oder bringt Eure eigenen Fähigkeiten in solch eine Runde ein. Habt Ihr begonnen, Euch selbst zu lieben, wird es Euch viel leichter fallen, Euch zu zeigen, Euch anderen zu öffnen.

Was wir nur zu oft vergessen: Den meisten Menschen geht es wie uns. Sie würden gern und trauen sich oft nicht. So viele wissen, dass Einsamkeit weh tut. Und sie ist letztlich nicht nötig, wenn wir lernen, mit uns achtsam, liebevoll und ab und an allein zu sein, um im richtigen Moment mit anderen zusammen zu sein. Beginnt Schritt für Schritt. Ein Lächeln hier, ein freundliches Wort dort, mit der einzigen Absicht, Euch zu zeigen und das Leben mit Eurem Sein zu bereichern.

Denn: Das Leben ist ein Geschenk und solange wir lebendig sind, sind wir es auch. Welche Art Geschenk willst Du sein? Für Dich, für die Menschen, die Du liebst, für diese Welt?

 

Einsamkeit

Photo: Ryan McGuire | pixabay.com

2 Kommentare

  1. 10-17-2015

    Liebe Kristina,
    Du hast das sehr ausführlich beschrieben.
    Mir kam dazu das Bild des Atmens als Vergleich.
    Solange wir im Leben nur Einatmen oder ständig nur Auatmen (Verausgaben), dann stockt irgendwann das Leben. Der Stillstand ist Gefahr. Nur das regelmäßige Ein- u. Ausatmen erhält das Leben. Wie oft wir uns zurückziehen, tägliche oder große Jahresinventur machen, liegt bei jedem selbst. Jeder hat seinen eigenen Lebensrythmus.
    Rückzug hat mit Einsamkeit nichts zu tun. Einsam kann man auch in einer großen Menschenmenge sein, das hat was mit (fehlender) Beziehung zu tun.

    • 11-23-2015

      Ja, lieber Michael, so simpel ist es: Leben ist Atmen. Ein- UND Ausatmen. Jeder in seinem Rhythmus und der ist in einem selbst verankert. Wir brauchen so wenig fürs Leben zu tun. Wir brauchen nur atmen. Vielleicht macht ein gutes Leben einfach nur die Balance des Ein- und Ausatmens aus.

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