Wächst du noch oder reifst du schon? oder Gespräch mit einem Kind

Gepostet von am Jul 29, 2015 in GeDANKEnwelt

Dialog mit dem inneren Kind

 

Heute stellt mir mein inneres Kind beim Abwasch eine interessante Frage. Ich, eine erwachsene Frau, spüle die Gläser und Teller. Neben mir steht ein Kind, das mir ungefähr bis zur Hüfte reicht, sich mit den Händen an der Spüle festhält und mir fröhlich bei meinem Tun zuschaut. Auf einmal hebt es den Kopf und sieht mich mit seinen großen Knopfaugen an und fragt mich: Warum haben die Menschen so große Angst vorm Tod?

Ich lasse die Frage einen Moment im Raum stehen, gebe ihr Zeit sich zu entfalten, lasse Gefühldankenbilder und Ansichten aufsteigen, bevor ich, leise das Besteck waschend, meinem inneren Kind Antwort gebe. Aufmerksam lauscht es meinen Worten, fühlt genau hin, welche Energie in ihnen liegt, spürt, wie es mir mit dieser Frage wirklich geht und prüft, ob meine Worte dem entsprechen. Ebenso wie ich lässt es den Energien Raum, sich zu entfalten, in sich selbst und in unserem Gespräch.

Dieses Wesen ist einerseits so schutzbedürftig, braucht meine Geborgenheit und Stärke und ist dennoch in einer Art unverwundbar und weise, die mich immer wieder tief berührt. Ich kann ihm nichts vormachen. Es spürt genau, wann ich etwas sage, das ich nicht so meine oder wenn ich etwas ganz anderes fühle, als ich zu vermitteln suche. Es weiß so vieles nicht, was Menschen und das Leben auf Erden anbelangt und es weiß alles, was wahrhaft wichtig ist für dieses Leben. Dieses Wesen kann so unendlich lieben.

 

Nachhaltiges Lernen mit Freude und Liebe statt durch Schmerz und Leid

 

Ich war meinem inneren Kind nicht immer eine gute Mutter. Erst die äußeren Einflüsse und die Erfahrungen meines inneren Kindes haben in mir eine Idee wachsen lassen, was Mutter und Vater sein bedeutet. Waren es vor allem die Verletzungen, die Einsamkeit, die Lieblosigkeit, die mich besonders reifen ließen, wünsche ich mir doch so sehr, wir Menschen mögen es bald schaffen, weniger schmerzfrei die Lektionen des Lebens lernen zu können.

Mit Freude, mit Leichtigkeit, mit Achtsamkeit und vor allem mit viel Liebe lernt es sich so viel besser. Schmerz wird es auch weiterhin geben, denn die Erfahrung eines aufgeschlagenen Knies kann man sich nicht erdenken, den muss man erleben. Doch wie anders wird diese Welt aussehen, wenn unsere inneren und äußeren Eltern sich erinnern, dass eine schnell und gut versorgte Wunde keine hässlichen, nicht abheilenden Narben hinterlässt.

Während ich das hier schreibe, nimmt mich mein inneres Kind in den Arm. Es fühlt meine Traurigkeit, spürt den noch nicht ganz verklungenen Schmerz in mir. Es hält meine Hand und reicht mir ein Taschentuch. Dieses Dasein, diese liebevollen kleinen Gesten, das wortlose Verstehen reichen der Frau, die ich heute bin, ein paar noch nicht verheilte Wunden des inneren und äußeren Mutter- und Vaterseins anzuschauen und noch besser zu versorgen. Denn das ist meine Aufgabe, nicht die meines inneren Kindes. Doch nur gemeinsam, als Team erreichen wir, dass in mir wieder ein Stück Frieden einkehrt, Liebe noch mehr fließen kann.

 

Auch wenn wir klein sind, sind wir schon groß – Reifen heißt das Zauberwort

 

Es ist ein großes Kind, dieses innere Kind. Es ist so, wie ich auch einmal war, bevor ich lernte, dass viele Mütter und Väter noch nicht reif genug waren, um wahrhaftige Eltern zu sein. Wahrhaftig sein heißt letztlich auch, in seinem eigenen Schmerz stehen,  sterben und wieder auferstehen zu können. Es heißt auch, so stark zu sein, die eigene Schwäche zuzulassen, ohne den anderen damit zu erdrücken. Es heißt, so sehr zu lieben, dass man sich selbst nicht mehr so wichtig nimmt, hat man doch erkannt, dass man selbst in seinem Leben das Wichtigste ist. Kinder, die inneren und die äußeren, wissen vielleicht nicht, warum Mensch Angst vorm Tod hat, doch sie sind weise genug zu erfahren, dass Menschen, Eltern Fehler machen. Und sie sind groß genug, trotzdem zu lieben und vielleicht noch mehr, wenn Eltern reif genug sind, das auch zu wissen und dazu zu stehen.

Ich stelle das letzte abgetrocknete Glas in den Schrank. Eine Träne hat sich in meinen Wimpern verfangen. Um meinen Mund spielt ein sanftes, glückliches Lächeln. Ich bin voller Dankbarkeit für meine Eltern, die, wie so viele andere trotz allem das Beste taten, was ihnen machbar schien. Ich bin voller Freude, denn das Reifen ist nicht mehr aufzuhalten, weder im Innen noch im Außen. Und letztlich ist das alles gar nicht wichtig, denn früher oder später werde ich sterben und ich habe keine Angst davor. Doch bis dahin, genieße ich jeden Moment, so sehr ich nur kann und gehe jetzt mit meinem inneren Kind eine Runde tanzen.

 

 

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