Tage, wie heute oder Hommage an eine Schwester

Gepostet von am Aug 27, 2014 in GeDANKEnwelt

Ich habe eine Schwester, die drei Jahre älter ist. Unser Verhältnis stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Sie war das „Goldkind“ unserer Großmutter, die mich wiederum wie die Stiefmutter das Aschenputtel behandelte. Wir Schwestern wurden ungefragt in den lebenslangen Konflikt von Großmutter und Mütterchen hineingezogen, oftmals auch instrumentalisiert, um diesen fortzuführen. Wir trugen den Kampf um Liebe, getragen von subtiler Rivalität, unserer Generationen mit und kämpften so manche Schlacht, selten für- und zu oft miteinander.

Unterschiedlicher hätten wir zwei nicht sein können. Hat sie eine lockige, dicke Wallemähne, bekam ich feines, glattes Haar mitgegeben. Erfreute ich mich schon von je her an jedem neuen Tag und konnte ihn nicht früh genug beginnen, verfluchte sie mich sicher unendliche Male für meine Fröhlichkeit am Morgen, ein ausgewachsener Morgenmuffel eben. Während ich an den Wochenenden den Alkohol- und Depressionsexzessen unseres Mütterchens beiwohnte, saß sie in Großmutters goldenem Palast und bekam, was immer sie sich wünschte. Dass dieser Palast irgendwann eher einem goldenen Käfig ähnelte, erfuhr ich erst viele Jahre später in einem der wenigen innigen Schwesterngespräche, die wir jemals geführt hatten. In diesem Gespräch begriff sie wiederum zum ersten Mal das Ausmaß der Belastungen, die ich jahrzehntelang ausgehalten hatte. Spielten in den ersten zwanzig bis dreißig Jahren unserer beider Leben Distanz, Eifersucht und Konkurrenzdenken im Miteinander eine tragende Rolle, erfuhren wir nach und nach, dass viele der uns trennenden Konflikte gar nichts mit uns zu tun hatten. Es vergingen noch einige Jahre, in denen wir uns mal annäherten und dann wieder weit entfernten. Wir wussten immer, dass wir uns irgendwie lieb hatten, doch waren unsere Lebenswege und Entscheidungen von Arten und Weisen, wie sie eben scheinbar unterschiedlicher nicht hätten sein können.

In all dieser Zeit habe ich versucht, sie zu verstehen, ihre Entscheidungen nicht nur hinzunehmen, sondern zu begreifen. Ich habe versucht, sie als Menschen annehmen zu können. In Situationen, da alte Konkurrenzmuster hochkamen, versuchte ich friedlich zu bleiben. Ich hielt mich zurück mit schlauen Ratschlägen und Meinungen, äußerte diese nur, wenn sie mich darum bat. Vielleicht trifft es das am besten: Ich entschied mich auch in dieser Beziehung für Frieden. Ich hörte irgendwann auf, mit ihr eine Beziehung haben zu wollen, weil sie meine Schwester ist. Ich begann, sie als Menschen zu sehen, dem ich hin und wieder begegnete und sie so neu in mein Leben zu integrieren. Dies ließ mich viel Schönes entdecken, zum Beispiel, dass sie nicht ausschließlich vereinnahmend ist, sondern dass sich dahinter eine tiefe, liebevolle Mütterlichkeit verbirgt. Dies ließ mich entdecken, dass ihre so anders gearteten Lebensentscheidungen nicht unüberlegt waren, sondern ihren großen Teil dazu beitragen, dass wir unser Familien(drama)karma sehr gut erlöst bekommen in diesem Leben.

Ihr wollt nun vielleicht wissen, wie wir heute zueinander stehen. Es gibt noch immer gemeinsame Themen, die bearbeitet werden wollen. Themen, bei denen wir unterschiedlicher Meinungen sind, andere Lösungswege gehen. Es gibt viele Momente, da wir uns auf Augenhöhe begegnen, wertschätzend für die jeweiligen Lebenserfahrungen der anderen. Es gibt Zeiten, da andere Menschen mehr über aktuelles Geschehen bescheid wissen. Und es gibt Tage wie diesen, da wir spüren, dass die andere Hilfe braucht. Tage wie heute, da ein Anruf der Anker ist, der hilft, Überblick zu bekommen im Strudel des Lebens. Tage wie heute, da ein liebes Wort und Verständnis tragend sind, ein gemeinsames Schweigen Halt gibt. Heute hat meine Schwester mir einmal mehr gezeigt, wie sehr sie mich liebt und wie liebenswert ich bin. Heute hat sie mir einmal mehr gezeigt, wie richtig meine Lebensphilosophie ist, dass Liebe die Antwort auf alle Fragen und Heilung pur ist. Heute hat sie mir gezeigt, dass das Zücken des Scheckbuches manchmal wichtiger sein kann, als tausend Ratschläge zu geben.

DANKE, dass Du zu mir stehst, mich verstehst. DANKE, dass Du begreifst, was mich und mein Leben ausmacht, dass Du erkennst, welche Aufgabe ich meine, erfüllen zu sollen. DANKE, dass Du uns erlaubst, uns immer wieder neu zu begegnen. DANKE, dass Du mich liebst, obwohl und gerade weil Du der Mensch bist, der mich vielleicht am besten, auf jeden Fall am längsten kennt. DANKE, dass Du mir das Vertrauen in die Menschen zurück gibst, auf Deine ganz besondere Art und Weise.
Ich liebe Dich, Schwester ♥

Schwestern

8 Kommentare

  1. 8-27-2014

    Sehr berührend Kristina <3 <3 <3
    Danke für diese schöne Zeilen…
    In Liebe & Verbundenheit
    Helena

    • 8-27-2014

      Danke liebe Helena. Licht & Liebe für Dich und alle Wesen 🙂 ♥

  2. 8-27-2014

    Danke!
    Wundervoll geschrieben. Mir ist ganz warm ums Herz.
    Fühle dich innig umarmt!
    Ich liebe dich meine kleine Elfe :-*

    • 8-27-2014

      Ich umarme Dich. In Liebe ♥

  3. 8-27-2014

    Einfach ergreifend…. <3
    DAS ist Schwesternliebe, wie man sie sich in Kindesjahren manchmal nicht vorstellen kann.

    Schön, dass ihr einen doch so guten Draht zueinander habt – auch wenn dieser erst geschmiedet werden musste über die Jahre. :-*

    • 8-28-2014

      Liebe Beate, danke für Deine Worte und fürs Lesen. Steter Tropfen 😉 oder: es ist nie zu spät, (in) Frieden zu sein. Dir und Deiner Schwester auch alle(s) Liebe!

  4. 8-30-2014

    Liebe Kristina.

    das ist sehr schön geschrieben! Toll, dass Ihr gemeinsam einen Weg gefunden habt – ich konnte mit meinem Bruder leider keinen finden…

    Fühl Dich feste gedrückt!

    Martina

    • 8-31-2014

      Danke Martina! Ich durfte erfahren, dass es nie zu spät ist, Frieden zu machen.

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