Grauer Winter oder Ist die Sehnsucht nach Bunt nicht nur das Vergessen, Farben im Grau zu sehen?

Gepostet von am Jan 19, 2015 in GeDANKEnwelt

Heute las ich bei einer Facebook-Bekannten den Kommentar, dass sie sich den Sommer wünscht, weil sie den Eindruck hat, der Winter scheine den Menschen aufs Gemüt zu schlagen. Erst wollte ich diesen Beitrag nur zur Kenntnis nehmen, scrollte weiter. Doch in mir stiegen Bilder, Worte auf, ganze Sätze erschienen vor meinem geistigen Auge. Gefühldankenbilder reihten sich aneinander, von denen viele aus dieser inneren Quelle kamen, einfach so. Diese Kombination kenne ich mittlerweile sehr gut und ich liebe sie, mit jedem Mal mehr. Diese Momente, da die Inspiration mein Innerstes zum Tun bewegt – Zeit, ein leeres Blatt zur Hand zu nehmen.

Ich schaue heute Morgen aus dem Fenster und verstehfühle, was die Bekannte meint mit „der Winter scheint aufs Gemüt zu schlagen“. Die Bäume stehen ohne Laub, der Himmel ist bedeckt. Kein Schnee, kein Sonnenschein. Ich selbst fühle mich ein wenig farblos. Die To-Do-Liste für diesen Tag ist lang, nur scheint das mein Innerstes wenig zu interessieren. Ich frage mich bei meinem ersten Kaffee, was mit mir los ist. Es gibt keinen offensichtlichen Grund, nichts, das mich belastet. Es gibt viel zu tun und so manches zu lassen, doch das ist ja immer so. Da lese ich diesen Beitrag auf Facebook und ich weiß, es ist nicht der Winter, der mir aufs Gemüt schlägt. Winter ist nur eine Jahreszeit, eine vom Menschen benannte Zeitspanne. Er ist nichts, was Besitz von mir ergreifen oder irgendetwas anderes mit mir tun könnte. So betrachte ich die Welt nicht mehr. Das Wetter, mein Umfeld, die Welt sind wie und was sie sind. Was der Ist-Zustand dessen mit mir macht, hat mit mir zu tun. Ja, wir Menschen sind selbstverantwortlich und ich mittlerweile so unterwegs, dass ich da auch vorm Wetter nicht halt mache. Nicht das Wetter tut etwas mit mir. Meine Wahrnehmung, meine Wertung des Wetters ist es, die etwas tut oder auch nicht. So ist es in meiner Wahrnehmung nicht der schneelose, graue, nasskalte Winter, der uns Menschen, mir gerade aufs Gemüt schlägt.

Was ist Winter? Diese Zeit der Natur ist innere Einkehr, auch wenn viele Menschen das vielleicht nicht wahrhaben wollen oder nicht mehr können. Die Natur ist in sich gekehrt um zu regenerieren, sich neu auszurichten, um bald wieder frisch loszulegen. Natürlicher Rhythmus, im wahrsten Sinne des Wortes. So zeigt uns der Winter, vor allem der mit viel Grau und bedeckten Himmeln, was „dran ist“. Was uns Menschen aufs Gemüt schlägt, ist unser eigenes Grau, die Unfähigkeit oder Unmöglichkeit, uns in uns selbst zurückzuziehen. Zum einen fehlt vielen hierfür in ihrem täglichen Eilen die Zeit oder die Erinnerung, wie das geht. Zum anderen kommen viele nicht auf die Idee, das eine mit dem anderen zu verknüpfen und ist es nicht auch leichter, irgendetwas oder irgendjemanden für das eigene Befinden verantwortlich zu machen? Es schlägt uns aufs Gemüt, uns betrachten zu sollen, was uns ohne Sonne, Schnee und Farben, mit viel Matsch, mit all dem Krieg im Außen so derbe aufs Tablett gelegt wird: es ist Zeit für innere Einkehr. Es ist an der Zeit, sich aus dem Außen zurückzuziehen, um zu regenerieren, sich neu auszurichten, um bald wieder frisch loszulegen. Es ist Zeit, sich dem eigenen Grau zu stellen, Fokus und Verhalten zu ändern, um der Welten ihr Bunt zu sehen und ihr wieder selbst mehr Bunt zu verleihen.

Ich weiß nun, warum ich mich heute ein wenig farblos fühle. Nicht nur, weil Winter in Mitteleuropa nun mal nicht die Zeit der bunten Farben ist, sondern weil diese meine Wochen des Neubeginns weit mehr Energie verbrauchen, als ich naturgemäß im (inneren) Winter dauerhaft zu aktivieren in der Lage oder gewillt bin. Ich bin nicht mehr bereit, mich von den natürlichen Gesetzmäßigkeiten über die Maßen zu entfernen. Jedoch muss ich mir eingestehen, dass ich gerade jetzt ein paar Dinge mehr zu tun habe, denen ich weniger Bunt zuschreibe. Doch es ist, wie es ist. Deshalb gönne ich mir nach all dem Tun auch Ruhepausen, so oft es nur geht. Ich verzichte auf Außenkontakte, wenn mir der Kopf eh schon von Eindrücken schwirrt. Ich verzichte auf Aktivität, wenn mein Körper einfach nur aufs Sofa will. Alles, was ich tue, tue ich langsameren Schrittes, auch wenn die To-Do-Liste am Ende des Tages weniger Häkchen vorzuweisen hat, als es das leistungs- und wachstumsorientierte „Normal“ zu verlangen scheint. Es ist ein Üben, jeden Tag, in der neuen Lebenssituation eine größere Herausforderung und doch ein alltäglicher, schon lang bekannter „alter Hut“. Mir die für mich richtigen Antworten zu geben und zu leben, wieviel To-Do, welcher Art auch immer, notwendig und wieviel Innenzeit nötig ist, um das innere Gleichgewicht zu halten.  Mein Gleichgewicht, trotz allem Außen im eigenen, inneren Fluss zu sein, damit alles, was ich ins Außen gebe von der Qualität ist, die ich mir für mich, mein Umfeld, die Welt wünsche.

Jetzt nehme ich meine Liste für heute, gehe winterlich langsam, bewussten Schrittes so weit, wie meine Kräfte reichen. Dabei sehne ich mich nicht nach mehr Bunt, denn ich habe mich erinnert und sehe die Welt mit anderen Augen. Ich erfreue mich am Zwitschern der Vögel vorm Fenster, dem sanften Grün der Wiese, das schon etwas Frisches hat und dem Grau am Himmel, in dem ich den ein oder anderen blauen Schimmer entdecken kann. Ich erfreue mich nicht zuletzt an mir, denn in dieser scheinbar so unnatürlich gewordenen menschgemachten Welt ist es wohl einmal mehr Lebens-Kunst, im eigenen kleinen und damit im großen natürlichen Fluß zu bleiben. So gut es eben geht. Ich tue mein Bestes, dass dieser Fluß so farbenfroh ist, wie nur möglich, denn vielleicht macht das auch die Welt da draußen etwas bunter. Ihr wisst ja, ich halte das Unmögliche für möglich…

Wintertag

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