Von Glaube und Religion oder Mein Leuchtturm

Gepostet von am Aug 10, 2016 in GeDANKEnwelt

Jeder von uns glaubt an etwas. Doch wann wurde aus unserem Glauben diese eierlegende Wollmilchsau, wurde daraus so oft lebensverachtende Religion? Warum ist Glaube nicht gleich Religion und nicht jeder, der sich religiös wähnt, wirklich gläubig?

 

Zu glauben ist schwer, nichts zu glauben ist unmöglich. – Victor Hugo

 

Wir glauben an verschiedene Götter, an Engel und Einhörner, daran, dass der BVB Deutscher Meister wird oder der nächste Interessent endlich der Prinz mit Pferd ist. Wir glauben an das Gute im Menschen, das unendliche Glück, das schnelle Geld, ewiges Wachstum und an das Wünsche erfüllende Universum. Wir glauben, dass es zwischen Himmel und Erde mehr gibt, als wir sehen können oder dass es nichts gibt, was nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden kann. Wir glauben, dass es nur uns in diesem großen Weltall gibt, obwohl wir auch mal glaubten, die Erde sei eine Scheibe und wir glauben, dass nichts, was wir tun, Auswirkungen aufs große Ganze hat. Wir glauben, dass es für alles eine Wunderpille, Arzt oder Heiler gibt, die die Gichtschmerzen in Luft auflösen, die wir mit ausladender Lebensweise in unserem Körper ausgelöst haben oder wir mit besserem Karma wiedergeboren werden, wenn wir uns nur Mühe geben. Und natürlich glauben wir nur zu gern daran, dass unsere Sicht auf die Dinge, die Welt und das Leben, die einzig wahre sei, denn schließlich fühlen wir uns gut damit.

Jeder von uns glaubt an irgendetwas. Meist beschert uns unser Glaube ein gutes Gefühl. Er gibt uns und unserem Dasein irgendwie Sinn. Und er hilft uns im besten Falle durch schwere und dunkle Lebensphasen. Im Angesicht des Todes ist es vielen wichtig, und manchem spätestens dann, zu beten. Wie viele von uns befragen in unklaren Lebenssituationen irgendwelche Orakel, Karten, Menschen oder Tiere, um wieder deutlicher sehen zu können. Wie viele von uns lesen in solchen Zeiten Rat gebende Bücher, suchen Coaches oder gute Freunde auf, weil sie glauben, dort Antworten zu finden. Das ist gut so, jedoch ist es wichtig, den Weg vom Außen wieder ins Innen zu gehen und auf unsere eigene innere Stimme zu hören. Doch oft beginnen wir hier, uns von unserem Glauben zu entfernen. Zu viele bleiben bei der Suche nach Sicht, Licht und Antworten im Außen hängen, machen sich buchstäblich von Göttern, Engeln, Ratgebern oder anderem abhängig.

 

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort. – Rainer Maria Rilke

 

Und jetzt wird es nur allzu oft gruselig. Der reine, individuelle, Kraft gebende, in uns wohnende Glaube, egal an was auch immer, wird nicht mehr erreicht. Das Glauben verfehlt seine Wirkung. Also brauchen wir mehr. Wir brauchen mehr Gott, Orakel, Rat, Wissenschaft, Austausch etc. Wir brauchen mehr Mensch, um unseren ureigenen Glauben, der etwas sehr Persönliches, gar Intimes ist, spüren zu können, damit er uns wie gewohnt durch diese dunklen Zeiten bringt. Wir beginnen, unseren Glauben mit Etiketten und Definitionen zu versehen, denn das ist notwendig, um sich mit anderen austauschen zu können. Wir beginnen, etwas fast Unaussprechliches (und es wird seinen Grund haben, dass es dafür so wenig treffende Worte gibt) in Worte zu pressen, feilen hier ein wenig an der Formulierung und da ein wenig am dazugehörigen Gefühl. Dabei reiben wir uns aneinander (auf), weil wir uns nicht oder nicht ausreichend verstehen bzw. das Gefühl haben, der andere weiß nicht, wovon wir reden. Wie sollte er auch? Es ist schlichtweg unmöglich, einem anderen Menschen 1:1 zu vermitteln, was genau in unserer Gedanken- und Gefühlswelt vonstatten geht und wie das Ganze aussieht, denn es ist unsere eigene Erlebniswelt, nicht seine.

Da stehen sie nun, die zurecht gefeilten Beschreibungen unseres ganz persönlichen Glaubens und war er in uns etwas Kraftvolles, Mächtiges, steht er nun da wie eine einarmige, humpelnde Imitation von Superman oder Rotkäppchen, dem man bis auf Unterwäsche (aus Anstand) und Mütze (Wiedererkennung ist wichtig) alles genommen hat, was es so besonders machte. War die Wahrscheinlichkeit, dass der BVB Deutscher Meister wird, schon nicht die Wucht in Tüten, wie hoch wird sie sein, wenn man dem Verein mal schnell die 5 besten Spieler aus der Aufstellung nimmt? Und so begibt sich eine größere Masse Mensch, denn ein paar finden sich immer (und umso mehr Geld sie zur Verfügung haben, umso weniger Mensch-Masse ist nötig!) einarmig und humpelnd, schamhaft in Unterwäsche und schlechter Besetzung auf einen noch schlimmeren Holzweg. Sie haben sich nämlich vorgenommen, anderen, den Ungläubigen, klar zu machen, dass ihr Glaube doch ganz grandios sei, denn er hat ja schließlich irgendwann mal geholfen. So kam und kommt es dazu, dass der Einäugige unter den Blinden als Held gefeiert wird oder werden soll. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Einäugige von Gott, Buddha, Erzengel Michael, Selfmarketing oder Sport spricht.

 

Mein Glaube ist mir Leuchtturm. Und nur mir.

 

Wahrscheinlich sind so u.a. Religionen entstanden. Mit Sicherheit ist das eine unfassbare Verschwendung menschlich möglicher Genialität! Was ein Irrweg, führt er uns doch, historisch und aktuell belegbar, eher ins Unglück und in Krieg, als in Glück und Zufriedenheit. Ich behaupte, den eigenen, naturgegebenen Glauben im Außen abbildend und gleichgemacht in einer Masse Mensch zelebrieren zu wollen, kommt Perversion nahe. Mein Glaube, der mir durch meine dunklen Momente hilft, der mir Leuchtturm am Horizont ist, dieser Glaube ist intim und persönlich. Er ist unbeschreiblich, kann deshalb auch nicht namentlich benannt oder wirklich mit jemandem geteilt oder weitergegeben werden. Ihn zu vereinheitlichen und womöglich noch mit Geboten und Regeln und anderen Bedingungen zu versehen und als die eine Wahrheit anzupreisen, ist nichts anderes als Irrsinn. Ich respektiere jede Form von Glauben, wenngleich ich die Ausübung und Veräußerung von so manchem nicht gut heißen kann. Ich respektiere, dass manche Menschen eine Kirche, ein Stadion, feste Gebetszeiten, einen Heilzirkel, ein Fachsymposium oder sonst etwas brauchen, um ihrem Glauben Ausdruck zu verleihen, doch ist mir manche Intension einfach zu fadenscheinig, manches Ritual zu wenig selbstverantwortlich hinterfragt und so manche Tradition überholt.

Erst gestern wurde ich gefragt, „was ich denn eigentlich sei, katholisch, evangelisch oder eben so.“ Meine Antwort: „Ich bin gläubig, aber nicht religiös.“, denn ich bin konfessionslos aufgewachsen. Ich habe mich mit vielen Religionen und Glaubensrichtungen beschäftigt und habe herausgefunden, dass sie im Kern alle vom gleichen sprechen. Ganz gleich, ob ich mit Katholiken, Buddhisten, Evangelischen, Sportanhängern, Einhornfreunden oder Intellektuellen spreche; ich begegne Menschen und kann sie meistens sein lassen, wie sie sein wollen. Manchen würde vielleicht sogar überraschen, wie viel Übereinstimmung und Verstehen, Begreifen in diesen Gesprächen zu finden sind. Im Austausch brauchen wir Menschen oft Worte, Bilder. Und so sieht denn wohl mein Glaube aus: Mein Glaube ist für den einen vielleicht das Bild einer Meditierenden, für den anderen das Bild einer Betenden. Für mich ist es ein „in mich hören“, ein „mit mir selber sprechen“ und dabei das Gefühl haben, „ein anderer sei zusätzlich anwesend“. Es ist ein Beobachten, was sich stimmig anfühlt. Für mich äußert sich mein Glauben in einem Stehenbleiben auf einem Spaziergang, das Gesicht in die Sonne haltend, dem Gesang der Vögel lauschend, den Wind auf meiner Haut und die Füße fest auf Mutter Erde. Ich glaube an die Liebe, an das Leben und die Welt um mich herum ist meine Kirche. Ich glaube an die beste Version meiner Selbst und übe mich tagtäglich und überall darin, meine Nächsten so zu lieben, wie mich selbst und uns alle zu lieben, bis dass der Tod uns scheidet, ganz gleich, was kommt und ist.
Ich tue (und das kann eben nur ich selbst und keine Masse Mensch) jeden einzelnen Moment, so gut ich kann, woran ich glaube: ich liebe und lebe und ich werde einen Teufel tun, Euch das als neue Religion verkaufen zu wollen.

 

Leuchtturm Glaube Religion

Photo: geralt | pixabay.com

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