Einsamkeit oder der Glaube an das Gutsein des Menschen

Gepostet von am Mai 23, 2014 in GeDANKEnwelt

Viele ältere Menschen gibt es in diesem Tal. Ein paar Einheimische und viele Zugereiste, die hier einen Altersruhesitz haben. Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, um sich all das Materielle zu erarbeiten, um nun den Lebensabend in dieser schönen Natur zu verbringen oder schon immer viel Geld in der Familie hatten, um sich das leisten zu können. Wo ich auch hinschaue, treffe ich auf diese Generation Ü 70. Sie fahren Auto, sind sportlich aktiv, geistig rege. Mich erstaunt, wie rüstig und agil viele von ihnen noch sind. Zum Beispiel ist die Dame, die ich zur Zeit betreue schon 95 Jahre alt und körperlich noch recht fit. Meine Vermieter sind noch immer freiberuflich und ehrenamtlich tätig. Und da ist der neue Nachbar von gegenüber. Ein gepflegter, gut gekleideter Herr um die 80. Wir sind uns nur ein paar Mal begegnet, haben uns lächelnd zum Gruß gewunken und Anfang der Woche ein paar Worte am Gartenzaun gewechselt. In diesem Gespräch erfuhr ich, dass er zeit seines Arbeitslebens Freiberufler war. Er hat für den Rundfunk gearbeitet und war als Professor an Universitäten tätig. Auf meine Gefühlfrage, wie es ihm geht, antwortete er mir so spontan und ehrlich, dass selbst ich einen kurzen Moment überrascht war. Menschen wahren ja gern den Schein und diese Generationen geben nur selten etwas Persönliches (am Gartenzaun) preis. Er sagte, dass es ihm nicht gut gehe. Seit dem Tod seiner geliebten Frau ist er sehr einsam, da der Rest der Familie in Amerika lebt und er nicht mehr fliegen darf. Das Herz, meinte er, mache den langen Flug nicht mehr mit. Gestern nun rief er mich an. Die Nummer hatte er von meinem Auto. Er wollte sich bei mir bedanken, da ich der Postfrau die Möglichkeit eingeräumt hatte, sein Paket in Verwahrung zu nehmen. Dieses Telefonat hat mich berührt. Seine Worte umschrieben, dass er niemandem zur Last fallen will. Die Schwingungen in seinem Reden jedoch ließen eine Dankbarkeit spüren. Dankbarkeit für gelebte Hilfsbereitschaft. Und ich glaube, am meisten berührt mich, dass er sich die Zeit nahm, seine Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Ich weiß, viele Menschen tun anderen Gutes (nicht zu verwechseln mit „gut gemeintem“). Ich halte sehr wenig von dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“. Ich glaube an ein anderes, neues Motto: „Erlebst du Gutes, danke dafür. Aktiv, bei dem, der es dir zuteil werden ließ.“ Ich meine, das schafft Verbindungen und es macht Mut, mehr Gutes zu tun und sich und sein Gutsein zu zeigen. Ist es nicht das, was diese Welt braucht? Nun, mein Nachbar und ich sehen uns sicher auch heute am Gartenzaun. Wir werden uns wieder lächelnd zuwinken und doch wird es heute schön anders sein. Vielleicht auch ein klein wenig weniger einsam…

Mut

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