Ein Sommermorgen, ein Buch, ein Kaffee oder Ein Loblied auf meine Arbeit

Gepostet von am Jul 7, 2015 in GeDANKEnwelt

Heute Morgen sitze ich mit einem Kaffee auf meiner Terrasse und lese. Das Buch bekam ich vor 8 Jahren geschenkt, wie mir die Widmung verrät und ich staune, wie viel Zeit seither ins Land gegangen ist. Bei all meinen Umzügen in diesen Jahren gehört dieses Buch zu denen, die immer dabei waren in jenen Kisten, die auf jeden Fall mitreisten. Es verspricht Lesevergnügen, denn es geht um philosophische Themen, es geht um die Kraft der Worte und die Stille, die einen Menschen umgibt und ausmachen kann, wenn er sich dieser Kraft bewusst ist. Es geht um Entscheidungen, die innerhalb weniger Sekunden getroffen werden, die aufgrund ihrer Verrücktheit, Spontanität und der ihnen innewohnenden tiefen Intuition lebensverändernd sind. Das ist Stoff, aus dem mein Leben gemacht ist und wohl der Grund, warum dieses Buch immer mit mir gereist ist.

Warum ich dieses Buch in all den Jahren zwar mehrfach anfing und nie zu Ende gelesen habe, kann ich nicht sagen. Warum ich mir nicht einfach den mittlerweile erschienenen Film zum Buch angeschaut habe, um endlich zu erfahren, wohin der Anfang der Geschichte führt, auch nicht. Und es ist auch nicht wichtig. Doch diese Fragen tauchen immer mal wieder auf und ich erkenne immer öfter und schneller, dass es nicht meine Fragen sind, die ich da im Kopf habe. So viele der Gedanken, Maßstäbe und Werte in meinem Kopf sind nicht meine. Es sind Erwartungen und Normen anderer, denen ich zu entsprechen versuch(t)e oder soll(te), damit ihre Weltbilder stimmig bleiben. Ich bin erstaunt, mit welcher Klarheit sich mir heute Morgen Zusammenhänge zeigen, die mir bisher zwar bekannt waren, doch bis dato Druck auf mich ausübten, ohne dass ich besseren Wissens etwas daran ändern konnte.

Bis eben habe ich wieder nur ein paar Seiten gelesen und das Buch immer wieder sinken lassen, da meine eigenen Bilder und Gefühldanken so greifbar sind, dass ich ihnen und nicht denen eines anderen Schreibers lauschen will. Über die Taten und Erkenntnisse des Protagonisten schweife ich zum Autor, der sicher nur die eigene Weisheit in die Geschichte eingeflochten hat. So wie ich es immer tue. Ich denke mir zwar keine Personen und Handlungen aus, sondern schreibe über mein eigenes Er-Leben, doch sitze ich wie dieser Mensch immer wieder vor einem leeren Blatt und bediene mich der Kraft der Worte. Nicht selten, um die Redseligkeit der Stille zu beschreiben und Euch, meine Leser, zu ermutigen, weniger zu sprechen, um tiefer zu kommunizieren.

Eben las ich dies im Buch eines anderen und war tief berührt, dass auch er diese Erfahrungen gemacht haben muss. Der Erfolg des Buches gibt ihm Recht, denn er hat damit viele Menschen erreicht. Doch bekommt sein Tun erst durch den Erfolg eine Daseinsberechtigung? Warum scheint diese geistige Arbeit, das Tauchen in die Tiefen der Stille und das greifbar machen mit Worten nur dann als sinnvolle Tätigkeit gewertet zu werden, wenn mein Name in großen Lettern in Zeitungen oder auf Bestsellerlisten steht? Ich soll nach dem Weltbild mancher Menschen tagsüber einem Job nachgehen und in meiner Freizeit schreiben. Ja, schreiben soll ich, denn das kann ich gut, finden sie, doch so etwas ist ein Zeitvertreib wie Malen oder Servietten falten oder sich um das Haustier kümmern. So oder so ähnlich dachten oder denken viele Menschen über das Schreiben (und andere Künste).

Kunst ist Arbeit, wenn Arbeit so definiert wird, dass wir uns damit viele Stunden am Tag beschäftigen und Leistungen erbringen, etwas schaffen, kreieren, für andere einen Mehrwert erzeugen. Wie viele Menschen lesen gern, gehen gern in Theater, schauen Filme, hören Musik. Wie wenige von ihnen haben Einblick, wie viel innere und äußere Arbeit zum Beispiel in diesem Text hier steckt, der von manchem verinnerlicht und von manchem vielleicht nur konsumiert wird. Ich arbeite viele Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Ich ergründe die Tiefen meines Seins, die Zusammenhänge dieser Welt und darüber hinaus. Ich heile mich selbst, meinen Körper, meinen Geist und kann dadurch anderen bei ihrer Heilung behilflich sein.

Ist all das weniger wert, als die Arbeit einer Kassiererin im Supermarkt, eines Arbeiters am Fließband, eines Bauern auf dem Feld oder jener, die in Büros sitzen? Ist all das weniger wert, weil ich den Tag meist ohne Wecker und mit einer gemütlichen Tasse Kaffee beginnen kann? Ist all das weniger wert, weil mein Leben, sein Rhythmus, seine Tiefe und Melodie so anders ist als vieler anderer Menschen? Sind meine Werke erst dann etwas wert, wenn ich faule Kompromisse eingehe und die Erwartungen anderer erfülle? Ist ein Mensch und sein Sein erst dann etwas wert, wenn seine Andersartigkeit von anderen verstanden oder akzeptiert wird? Haben wir Menschen über all die Jahrtausende noch immer nicht die Reife erlangt, Andersartigkeit als Bereicherung erfahren zu können?

Mein Kaffee ist mittlerweile kalt geworden. Im Buch sind noch immer viele Seiten zu lesen. Ich sitze an einem herrlichen Sommermorgen auf meiner schattigen Terrasse und sehe klar, welche Minderwertigkeit ich mir trotz aller Selbstliebe bisher zugeschrieben habe, weil in meinem Kopf so viele Gedanken, Werte und Normen anderer Menschen herumgeistern. Ich danke allen Menschen, die ihre Arbeit tun, ganz gleich welche es sein möge und sorge nun dafür, dass die meine ein großes Stück mehr für mich das ist, was sie ist: Arbeit und eine Kunst von sehr hohem Wert.

 

Blogterrasse2

4 Kommentare

  1. 7-7-2015

    Liebe Kristina, Danke für die ehrlichen, tiefen Worte und den Einblick den du uns damit in dein Erlebens und Weiterentwicklungs Werdegang gibst. Mensch ist nicht weniger oder mehr Wert, gleich welche Arbeit er ausführt. Wichtig ist nur, dass wir uns auch Wert anerkennen und dabei nicht vergessen dass auch die anderen sollten sie einen fürs noch so unverständlichen lebensstil, Einstellung etc haben auch etwas Wert sind. Namaste :-*

    • 7-8-2015

      Das hast Du schön gesagt, liebe Eva. Ich danke DIR. ♥

  2. 7-7-2015

    Ich mache meine Arbeit auch sehr gern 🙂 ich kann schwerbehinderte Menschen in unserem Unternehmen unterstützen und es ist mir eine Herzensangelegenheit.
    Liebe Grüße Ilona

    • 7-8-2015

      Ich stehe ja auf Hilfe zur Selbsthilfe. Während meiner Arbeit mit „behinderten“ und „nichtbehinderten“ Menschen habe ich viel Unterschiedliches erlebt. Möge ein jeder so selbstverantwortlich wie nur irgend möglich durch sein Leben gehen können/wollen.
      Schön, dass Du hier dabei bist, Ilona! 🙂 Herzliche Grüße für Dich. Kristina

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Pin It on Pinterest

Share This