Aufblühen ist ein Prozess und nicht ganz schmerzfrei

Gepostet von am Feb 2, 2016 in GeDANKEnwelt

Beim Aufblühen denken wir wohl alle zuallererst an das majestätische Entfalten einer Rose, die sich langsam immer weiter öffnet. Fürs menschliche Auge ist dabei kaum nachvollziehbar, wieviel Zeit und Kraft es braucht, um jedes Blütenblatt in voller Schönheit erstrahlen zu lassen.

 

Aufblühen ist Natur pur

 

Habt Ihr im Frühjahr schon einmal im Garten oder unter einem Baum gesessen und ganz still der Natur gelauscht? Wenn die erste warme Mittagssonne die Knospen bescheint, aus denen dann in ein paar Tagen oder Wochen wie von Zauberhand wunderschöne Blüten oder grüne Blätter werden. Ich kann mich noch sehr genau an einen dieser Momente erinnern. Es war ein Aufwachmoment für mich, denn er machte mir klar, wie weit ich mich in den Jahren davor von der Natur entfernt hatte und wie gigantisch die Natur doch ist. Es war an einem der ersten frühlingshaften Tage, als ich in der Mittagspause unter einer Birke saß. Um mich herum war es still und meine Sinne waren vom Schweige-Retreat, das ich gerade absolvierte, neu geschärft. Ich saß in der Sonne, ließ mein Gesicht wärmen und versank im neuen Gefühl, dass es nichts weiter zu tun gab, als nur eben genau da zu sitzen, zu atmen und zu sein.

Ich lauschte den Vögeln, dem Wind und vernahm ein immer wiederkehrendes Knacken, dass die schöne Ruhe fast zu stören schien. Sitzt da was im Gras und könnte mir etwas antun? Ist es eine meiner Mitschweigenden, die immer wiederkehrende Geräusche verursacht, ohne zu bemerken, dass es andere stören könnte? Ich atmete mich durch Angst und Ärger, wie ich es in den letzten Tagen stundenlang im Meditationssaal geübt hatte. Es dauerte noch eine Weile, bis ich begriff, dass dieses Knacken das Aufplatzen der äußeren Knospenhüllen der Birke über mir war. Mit sanfter und doch unaufhaltsamer Kraft schoben die Blätter ins Außen, durchbrachen die schützenden Hüllen, die noch vor kurzem so manchem Frost standhielten. Nicht schnell, oh nein. Mit bloßem Auge nicht erkennbar, doch mit viel Aufmerksamkeit hörbar, trieb das neue Leben nach draußen, um sichtbar zu werden. Einfach dem natürlichen Gang zu folgen.

 

Naturkräfte sind gewaltig und für Mensch nicht immer schmerzfrei

 

Wie alles ist das Aufblühen ein Prozess. Zu leicht vergessen wir es in den heutigen schnelllebigen Zeiten, da sich Mensch sehr von der Natur und sich selbst entfernt hat. Und oftmals ist unsere Vorstellung von Natur eine zu romantische. Natur ist ein immer währendes Entstehen und Vergehen, ein ewiges Kommen und Gehen, Leben und Sterben. Und keineswegs ist Natur schmerzfrei. Ob nun eine Birkenknospe Schmerz empfindet, kann ich nicht beurteilen. Ich jedoch sehr wohl, wie ich soeben am eigenen Körper erfahre. Setzte ich gestern nun mein Jahr 2016 ganz offiziell unter das Motto „Jahr des Aufblühens“, flog mir kurze Zeit später mein Knie um die Ohren. Von einen Moment auf den anderen konnte ich nicht mehr laufen und bewege mich auch heute noch hüpfend und mit etwas schmerzgetrübtem Lächeln vom Bett in die Küche und zurück.

Mein rechtes Knie ist eines der letzten Körperteile, dass mir ab und an mal anzeigt, dass da noch alte Themen, Hüllen sind. Themen, denen ich mich immer wieder stellte, die jedoch nicht in ihrer Tiefe zu klären waren. Pünktlich zum Montag, an dem ich mich mit ein paar wichtigen, etwas unangenehmen und zukunftsweisenden Entscheidungen und Aufgaben befassen wollte, setzt mich mein Knie außer Gefecht, verlangsamt mein Tun, lässt mich mit einem Augenzwinkern ziemlich blöd dastehen bzw. auf einem Bein durch meine Wohnung hüpfen. Damit sind einige der Vorhaben auf Eis gelegt und ich mit mir noch einmal ganz anders konfrontiert. Themen wie Schmerz, Hilfsbedürftigkeit, blockiert sein und Scham stehen auf dem Programm, was mich keineswegs überrascht. Die Fröhlichkeit, die mich trotz allem erfüllt, ist schon überraschender.

Auch wenn meine Schwester und enge Freunde weit weg oder vielbeschäftigt sind, werde ich nicht verhungern und gut versorgt sein. Denn dieses Aufblühen ist ganz natürlich. Aufblühen ist ein Prozess und für uns Menschen nicht unbedingt ein schmerzfreier. Doch wie im Frühjahr bei den Blumen und Blättern gibt es kein Zurück, wenn einen die wärmende Sonne der Veränderung erst einmal wach geküsst hat. Und das Begreifen, zurück in diesem natürlichen Fluss zu sein, stärkt mein Urvertrauen und ist mir jedes weitere Hüpfen wert.
Scheut Euch nicht vor Schmerz. Er ist natürlich. Er geht wie alles andere vorbei. Und nach ihm kommt oftmals erst die wahre Schönheit des Seins zum Vorschein.

 

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Photo: 558124 | pixabay.com

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